Über das allmähliche Werden der Dinge aus reiner Indifferenz.

Datum: 04.10.2009

Ort: (Diese Veranstaltung fand in privaten Räumen eines MoMo-Mitglieds statt.)

Über das allmähliche Werden der Dinge aus reiner Indifferenz. Grundlegung einer Prozessontologie
Vortragender: Wolfgang Sohst

Prozessontologie Sohst

Die Metaphysik ist ein konservativer Bezirk des Denkens, uralt und trotz vieler Anfechtungen über die Zeiten mit einer Autorität versehen, die schwerlich zu überschätzen ist. Das Innerste der Metyphysik ist in der heutigen westlichen Kultur, jenseits religiöser Begründungszwänge, wiederum die Ontologie, die - wörtlich - eine allgemeine Lehre vom Sein ist. Der Name ist Programm: Alle Versuche seit Heraklit, etwas anderes als das Sein als Ausgangspunkt der Gesamtheit dessen, was Welt ausmacht, zu setzen, scheiterten. So dominiert bis heute die Auffassung, dass Substanzen und ihre Eigenschaften, im konkreten Alltag die Gegenstände, die uns umgeben, das Inventar der Welt liefern. Der Grund für die Beharrlichkeit dieser Vorstellung dürfte sein, dass es bislang nicht gelang, einen gültigen Gegenentwurf zum Primat der Dinge vor ihrem Werden zu liefern. Denn trotz aller Mängel der auf das Statische fixierten Substanzontologien vermochte bislang kein Herausforderer diese an Erklärungsstärke zu übertreffen.

Mit dem enormen Fortschritt der Naturwissenschaften, der Logik und der systemischen Analyse von Funktionskomplexen verfügen wir jedoch mittlerweile über die theoretischen Mittel, um das alte Thema neu anzugehen. Ich habe mich deshalb aufgemacht und im Verlauf der vergangenen acht Jahre eine sogenannte Prozessontologie entworfen, die beansprucht, vom axiomatischen Fundament eines absoluten Anfangs bis zur Entwicklungshöhe lebendiger und schließlich abstrakter Existenz einen durchgehend konsistenten Entwicklungszusammenhang zu beschreiben. Ziel dieser Arbeit, die nunmehr als Buch erscheint, ist es zu zeigen, dass das Verhältnis von Werden und Sein erst umgekehrt einen widerspruchsfreien Sinn ergibt: Primär ist die Welt eine riesige Aktualstruktur, und die Dinge darin existieren als stabil gekapselte Prozessinseln. Erst sekundär bilden sich die Gegenstände und ihre Eigenschaften als Derivate einer Selbstdifferenzierung innerhalb dieser allgemeinen Prozessstruktur. Am Anfang und im Kern allen Seins, behaupte ich, gibt es nichts als den reinen Prozess, d.h. vorgegenständlich absolutes Geschehen. Die Aufgabe einer Prozessontologie besteht folglich darin zu zeigen, wie aus diesem Allprozess Schritt für Schritt konkrete Existenz im Sinne stabiler Bestimmtheit erwachsen kann, die sich in ihrer dimensionalen Entfaltung schließlich bis zu den Höhen unserer sozialen und abstrakten Existenz emporschwingt.

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