International Securitization and the Responsibility to Protect (Rita Floyd, University of Birmingham)

Datum: 18.07.2022 (20:00:00–22:30:00)

Ort: Online-Veranstaltung via Zoom

Internationale Absicherung und politische Schutzpflichten

Soldiers and weapons springing out of a first aid kit

 

Der Vortrag von Dr. Rita Floyd und die anschließende Diskussion finden auf Englisch statt.
Dr. Floyd spricht allerdings gut Deutsch, so dass Fragen auch auf Deutsch gestellt werden können.

The lecture by Dr. Rita Floyd and the subsequent discussion will be held in English. Here you find the English version of this text.

To download her lecture script, click here.

Diese Veranstaltung findet via Zoom statt. Wenn Sie noch nicht auf der MoMo-Einladungsliste stehen, schreiben Sie bitte eine Email an info@momo-berlin.de. Dann erhalten Sie rechtzeitig vor Veranstaltungsbeginn den Zugangslink zu der Veranstaltung.

Die Schutzverantwortung (Responsibility to Protect - RtoP) ist eine internationale Norm, die sicherstellen soll, dass einzelne Staaten und die internationale Gemeinschaft handeln, um vier Gräueltaten zu verhindern oder auf sie zu reagieren: Völkermord, ethnische Säuberung, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Seit ihrer Verabschiedung auf dem UN-Weltgipfel 2005 ist die RtoP zu einem festen Bestandteil des wissenschaftlichen und praxisorientierten Diskurses geworden und hat die Welt spürbar positiv verändert. Dennoch weist RtoP mehrere erhebliche Schwächen auf. Unter diesen sind die folgenden drei hervorzuheben:

  1. Probleme, die mit bewaffneten humanitären Interventionen verbunden sind (z. B. schleichende Ausweitung einer Intervention (sog. "mission-creep"), Missbrauch oder Schüren der Angst vor einer Invasion);
  2. Untätigkeit oder nur selektive Maßnahmen (Libyen, aber nicht Syrien) sowie
  3. die Beschränkung des Anwendungsbereichs (warum als Interventionsgrund nur Gräueltaten und nicht auch Umweltkatastrophen?)

In diesem Vortrag möchte Dr. Rita Floyd aufzeigen, wie ihre neue Theorie der moralisch verbindlichen Absicherung die RtoP neu ausrichten und dazu beitragen kann, diese Unzulänglichkeiten zu beseitigen. "Moralisch zwingende Absicherung" ist die moralische Pflicht, außergewöhnliche Maßnahmen ohne Krieg zur Selbst- und Fremdverteidigung gegen beabsichtigte und absichtslose Bedrohungen einzusetzen. Dieses Konzept bzw. diese Theorie baut auf Floyds früherer Arbeit (2019) zur gerechten Absicherung auf, die besagt, dass die Einleitung der Absicherung (die Anwendung bedrohungsabhängiger außerordentlicher Notfallmaßnahmen in Verbindung mit der Artikulation von Bedrohungen) moralisch zulässig ist, sofern eine Reihe von Kriterien erfüllt sind, nämlich: gerechter Grund (gerechter Grund + gerechtes Referenzobjekt), richtige Absicht, Verhältnismäßigkeit und eine angemessene Erfolgschance.

Dr. Floyd argumentiert, dass eine gerechte Absicherung "supererogatorisch" ist, d.h. sie sollte gewährt werden, aber es ist nicht moralisch falsch, sie zu unterlassen. Sie argumentiert, dass es richtig und verpflichtend ist, Sicherheit zu schaffen und falsch, dies nicht zu tun, wenn die Akteure hinreichende Gewissheit haben, dass eine rein politiche Behandlung nicht zum Erfolg führen wird, um der gerechten Sache zu dienen. Sie schlägt vor, dass hierzu gewillte Absicherungsbeteiligte diese Gewissheit nur dann haben, wenn weniger schädliche Alternativen zur militärisch basierten Absicherung (d.h. eine politische Behandlung) ausprobiert wurden und gescheitert sind, nicht aber, wenn - wie es bei der "gerechten Absicherung" der Fall ist - die Chancen des wahrscheinlichen Erfolgs der Absicherung gegenüber den Alternativen ex ante vorhersehbar waren. Dr. Floyd vertritt die Auffassung, dass potenzielle Absicherungsakteure, wenn die Alternativen gescheitert sind, nicht nur einfach einen gerechten Grund für die Verbriefung haben, sondern einen "zwingenden Grund".

Dr. Floyd erklärt, was 'verpflichtende Absicherung' und 'zwingender Grund' im Rahmen von RtoP bedeuten. Sie argumentiert, dass RtoP auf systemischer Ebene den Umfang der moralisch verpflichtenden Absicherung in der Praxis definiert. Sie fährt fort, dass selbst dann, wenn RtoP perfekt funktionierte und immer entsprechend gehandelt würde, es nicht die moralischen Pflichten des UN-Sicherheitsrats in Bezug auf Absicherung abdeckt, insbesondere deckt es keine absichtslosen Bedrohungen ab. Sie zeigt dann, wie die verpflichtende Absicherung die in der RtoP enthaltenen Ideen neu ausrichten und somit retten kann. So überbrückt die verpflichtende Absicherung sinnvollerweise die RtoP-Verantwortung zur Prävention und die Verantwortung zur Reaktion. Eine umfassende militärische Intervention, d.h. ein Krieg, der für viele staatliche Akteure gleichbedeutend mit der Pflicht zur Reaktion ist, liegt dagegen außerhalb der Absicherung. Ebenso liefert die "must cause", d.h. der zwingende Grund, ein deutlicheres Kriterium für Maßnahmen als das Kriterium der vorsätzlich herbeigeführten, schockierenden Gräueltaten.

Zusammenfassend meint Dr. Floyd, dass eine moralisch verpflichtende Absicherung einige der Unzulänglichkeiten der RtoP abmildern kann. Sie würde dadurch zeitgemäßer, weniger umstritten und effektiver. Sie würde ferner besser das RtoP-Ideal der Internationalen Kommission für Intervention und staatliche Souveränität erfüllen, die das Konzept als erste einführte.

Hier können Sie die PowerPoint-Präsentation zu dem Vortrag als PDF herunterladen.

Zur Vortragenden:

Dr. Rita Floyd

Dr. Rita Floyd ist außerordentliche Professorin für Konfliktforschung und Sicherheit an der Universität Birmingham, Großbritannien. Sie hat zahlreiche Publikationen zur Sicherheitstheorie und Umweltsicherheit veröffentlicht, darunter zwei Monographien bei Cambridge University Press. Die Moral der Sicherheit: A theory of just securitization (2019) und Security and the Environment: Securitisation Theory and US Environmental Security Policy (2010). Sie lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern am Rande der Cotswolds.

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