Max und die Affen (2. Philosophische Matinée)

Datum: 27.10.2013 (11:00:00–13:30:00)

Ort: Café "Neffes", Potsdamer Str. 131, 10783 Berlin (kurz vor der Ecke Bülowstr.)

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Zuviel des Guten...

Alte und neue Theorien über die Entstehung der Moral

Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts argumentierte Max Weber, einer der Begründer der modernen Soziologie, in seinem voluminösen Werk "Wirtschaft und Gesellschaft", dass die Moral als affektiv verinnerlichter Ausdruck der Normenbasis eines jeden Kollektivs gewöhnlich in jeder homogen-hierarchisch organisierten Gesellschaft entstehe: Wo nicht mehr Individuen um Macht kämpfen, weil die sozialen Machtverhältnisse im Großen und Ganzen institutionell geordnet sind, haben die Machthaber ein inhaltliches (Weber sagt: "materiales") Interesse an der Begründung von Konfliktlösungen. Sie sprechen nunmehr von 'Gerechtigkeit', 'natürlicher Ordnung' und anderen gefühlsschweren Dingen und sichern sich damit die affektive Zuneigung und Loyalität ihrer Untergebenen. Webers These, die er in seiner Rechtssoziologie entwickelt, ist erfrischend nüchtern und gut begründet.

Davon unbeeindruckt favorisiert die moderne Primatenforschung in Gestalt ihres berühmtesten lebenden Vertreters, dem aus den Niederlanden stammende Primatologen Frans de Waal, die These, dass die meisten sozialen Tiere von Natur aus gut seien, weil das individuelle Mitgefühl, das nachweislich auch bei vielen höheren Tierarten verbreitet ist, die Quelle aller Moral sei. De Waal schließt daraus, es sei unplausibel zu behaupten, der Mensch sei von Natur aus unmoralisch (im Sinne von 'bösartig egoistisch') und nur die Kultur habe ihm eine dünne Fassade 'guten' Verhaltens vorgehängt. In seinem Buch "Primaten und Philosophen. Wie die Evolution die Moral hervorbrachte" versucht de Waal seine Behauptung mit starken Beispielen altruistischen Verhaltens aus der Welt der Schimpansen und Bonobos zu belegen. In vier anschließenden Kommentaren äußern sich international bekannte Philosophen (Robert Wright, Christine M. Korsgaard, Philip Kitcher und Peter Singer) zu dieser These. Keiner der Kommentatoren mag sich jedoch de Waal anschließen, unter anderem mit dem Einwand, Tiere seien nicht zur abtrakten Verallgemeinerung von Verhaltensgrundsätzen in der Lage. Das mag stimmen - doch niemand der Diskussionsteilnehmer scheint den Weberschen Ansatz zu kennen, der aus mehreren Gründen deutlich plausibler ist als alle individuell-evolutionistischen Ansätze.

Die in dieser Matinée behandelten Bücher:

Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft   Frans de Waal: Primaten und Philosophen

Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft / Frans de Waal: Primaten und Philosophen

Vortragender: Wolfgang Sohst

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