Entwicklung! Über Robert N. Bellah: "Religion in Human Evolution"

Datum: 23.02.2014 (11:00:00–13:00:00)

Ort: Café "Neffes", Potsdamer Str. 131, 10783 Berlin (kurz vor der Ecke Bülowstr.)

Der göttliche Funke
"Und was wird aus uns, wenn es dich gar nicht gibt?"

4. Philosophische Matinée

Seitdem sich in weiten Kreisen westlicher Gesellschaften die Einsicht durchgesetzt hat, dass die Menschen von keinem Gott in die Welt gesetzt wurden, sondern eine Gattung ganz gewöhnlichen tierischen Ursprungs ist, liegt dem Begriff der Entwicklung keine theologisch-teleologische Notwendigkeit zur Herstellung göttlicher Ordnung auf Erden mehr zugrunde. Dieser Befund steigerte allerdings nur die Zudringlichkeit des Zwanges zur Entwicklung, machte ihn noch existenzieller: So, wie wir waren (nämlich Tiere), sind wir nicht geblieben, und so, wie wir sind, kann es auch nicht bleiben. Dafür gibt es viele Gründe. Unsere, die abendländische Kultur, steht seitdem ganz im Bann ihres eigenen Entwicklungsimperativs, anders als beispielsweise die chinesische. Darwin gab den Startschuss zum "evolutionary turn", und (fast) alle folgten: über Herbert Spencer, den Erfinder des sozialdarwinistischen "survival of the fittest" bis hin zu Richard Dawkins, der dem menschlichen Individuum nur noch eine magere Statistenrolle zugesteht, "die Gene" als die eigentlichen Protagonisten auf der Bühne des Lebens ausruft und heute fieberhaft gegen die amerikanischen Kreationisten kämpft.

Zu den moderateren, gleichwohl enorm einflussreichen Stimmen in dieser Symphonie allgemeiner Entwicklungsmobilmachung gehört Robert N. Bellah, einer der bedeutendsten amerikanischen Soziologen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und Erfinder des Begriffs der "civil religion". Kurz vor seinem Tod im Jahre 2013 vollendete er noch den ersten Teil seines geplanten Hauptwerkes über die Grundlagen der sozialen Evolution des Menschen mit dem Titel "Religion in Human Evolution. From the Paleolithic to the Axial Age", das bereits bei seinem Erscheinen mit einer herausragenden Kritik von Jürgen Habermas aufwarten konnte. Bellahs Religionsbegriff hat nichts mit Gott, dafür viel mit moderner Ethnologie, Soziologie und Evolutionstheorie zu tun.

Bellah steht mit seinem Ansatz nicht allein da. Er ist Teil einer weltweiten Bemühung westlichen Ursprungs um rationale Begründung und, ja, auch Erfüllung jenes vom tiefsten historisch-metaphysischen Grunde aufsteigenden Entwicklungimperativs. Bellah ist Kommunitarist, wie neben Charles Taylor auch beispielsweise Axel Honneth, der mit seinem "Kampf um Anerkennung" (1994) ebenfalls wichtige Argumente zur Funktionsweise sozialer Entwicklung beigesteuert hat.

In dieser Philosophischen Matinée werde ich am Leitfaden des neuen Bellah'schen Textes die aktuellen Tendenzen und Personen vorstellen, die die argumentative Basis der modernen sozialen Entwicklungstheorie bilden.

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Vortragender: Wolfgang Sohst
Das in dieser Matinée vorgestellte Buch:

Buchtitel Robert Bellah: Religion in Human Evolution

Handout zum Vortrag: Bitte hier herunterladen.

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