Caravaggio: „Enfant terrible“ und Revolutionär
Datum: 13.06.2016 (20:00:00–22:30:00)
Ort: Alte Jakobstr. 12 / Ecke Ritterstr. (Tiyatrom Theater), 10969 Berlin
Michelangelo Merisi wird am 29. September 1571 in Mailand geboren. Doch seine Eltern, der Maurermeister Fermo Merisi und die Mutter Lucia Aratori stammen eigentlich aus Caravaggio, einem Dorf nahe bei Mailand. Dorthin zieht seine Mutter wieder mit dem kleinen Michelangelo, weil in Mailand die Pest ausbricht und der Vater daran stirbt. Von da an lebt er mit der Mutter in bescheidenen bürgerlichen Verhältnissen in ihrem Herkunftsort. „Michelangelo Merisi da Caravaggio“, lautet somit vollumfänglich sein Name. Doch man nennt ihn „Michelangelo Caravaggio“ oder nur kurz Caravaggio.
Schon bald entpuppt er sich als markanter Vertreter und Innovator des frühen italienischen Barock. Mit ihm tritt ein Paradigmenwechsel in der europäischen Ikonografie ein. Er hat mit der italienischen Vorstellung einer bella figura nichts im Sinne. Das Design des Manierismus widert ihn an. Mit ihm zieht ein schonungsloser Naturalismus in die Bildgestaltung ein. Er malt die Menschen, die ihm auf der Straße begegnen, die Tagelöhner, Rüpel, Händler, Schacherer, Prostituierten, die Durchschnittsitaliener. Er sucht die nackte Wahrheit. Erst spät hat die Kunstgeschichte die Genialität seiner revolutionären Malerei entdeckt. Auch die Bildzuschreibungen mussten oft zu seinen Gunsten korrigiert werden.
Gegen den zeitgenössischen Manierismus hat er aufbegehrt. Seine Umgebung schien ganz von Michelangelo und Raffael paralysiert. Auch er selbst achtete deren Vermächtnis, lies sich aber nicht davon blenden und zu einem Eklektizismus bis zur Manie verleiten. Mit ihm zieht ein neuer Realismus in die zeitgenössische Malerei des Manierismus ein. Er holt die Geister aus der tradierten Bildkultur in die alltägliche Wirklichkeit. So stellt er seine Malerei, seine Vorstellungen, seinen Glauben, seine Hoffnungen ins Hier und Jetzt. Als Maler der barocken Avantgarde erweist sich sein Wirken regelrecht faustisch (im Sinne von Oswald Spengler). Caravaggio eröffnet damit ein neues Feld der poetisch schöpferischen Ortsbestimmung in der europäischen Kulturlandschaft.
Rainer Reusch führt uns in seine revolutionäre Bildsprache ein.