Psychology meets metaphysics
Der amerikanische Philosoph Mark H. Bickhard stellt sich vor
Der amerikanische Philosoph Mark H. Bickhard, hierzulande bisher kaum bekannt, arbeitet seit vielen Jahren - eher als Philosoph denn als Psychologe - an prozessontologischen Grundlagenmodellen. Bickhard, der am Department of Psychology der LeHigh University in Pennsylvania lehrt, hat zur Fundierung seines kognitionspsychologischen Ansatzes einen prozessmetaphysischen Rahmen ausgearbeitet, der ein wertvoller Beitrag zur zeitgenössischen Ontologie ist. Um seine Arbeiten hier vorzustellen, haben wir ihn um einen Text gebeten, der bei MoMo diskutiert werden kann. Daraufhin übersandte er mir einen Aufsatz mit dem Titel „The interactivist model“, der in der Zeitschrift Synthese im Jahre 2009 erschienen ist (Synthese [2009] 166: S. 547–591, DOI 10.1007/s11229-008-9375-x) Weitere Text von Mark H. Bickhard sind auf seiner Internetseite hier zu finden.
Prozesse generieren Gegenstände und ihre Darstellung
Das von Bickhard entworfene interaktivistische Modell der Repräsentation und Kognition ist ein Ansatz, der Handlungen und speziell deren Zusammenwirken und ihre Wechselwirkungen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stellt. Methodisch ist sein Ansatz ein pragmatischer. Er geht von vollkommen anderen Grundannahmen über die Repräsentation des Wirklichen aus als die bekannten Standardmodelle der Literatur und setzt auf einer tieferen Ebene, d.h. einer ganz anderen Metaphysik an als all jene, die unter dem Klassennamen ‚Substanzmetaphysik‘ nach wie vor große Bereiche der Philosophie, der Kognitionswissenschaften und der Psychologie beherrschen. Stattdessen entwirft Bickhard einen prozessontologischen Rahmen.
In seinem Aufsatz „The interactivist model“ zeigt Mark H. Bickhard, dass der Perspektivwechsel von einem substanz- zu einem prozessmetaphysischen Bezugsrahmen die integrierte Modellierung der Emergenz sogar bis hinauf zu normativen Phänomenen ermöglicht. Einleitend demonstriert er, wie die Substanz als metaphysischer Ausgangspunkt die ontologische Emergenz, also die Entstehung von ontologisch Neuem aus bereits Gegebenem, praktisch blockiert, insbesondere die Emergenz der Normativität. Eine prozessbasierte Metaphysik erlaubt dagegen die Darstellung der Emergenz von Normativität bis hinunter auf die physikalische Argumentationsebene, d.h. hier im Einklang mit dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik, dem sog. Entropiegesetz. Der Schwerpunkt seines Modells liegt dabei auf der Beschreibung zwei unterschiedlicher, gleichwohl grundlegender Formen von Normativität, nämlich der normativen Grundfunktion und – in speziellen Fällen solcher Funktionen – die Repräsentationsfunktion. Das darauf aufbauende Prozessmodell der Repräsentation bezeichnet er als ‚Interaktivismus‘. Es erzwingt, sofern es den Leser überzeugt, veränderte Herangehensweisen in zahlreichen verwandten Wissenschaftsgebieten. Am Ende des Beitrages geht der Mark H. Bickhard auf drei dieser Gebiete etwas näher ein. Diese betreffen die Wahrnehmung, das Lernen und die Sprache.
Der vollständige Beitrag von Mark H. Bickhard (englisch) steht hier zum Herunterladen bereit. (ws)